Geschichte: Besuch beim Geissenpeter und seinen Ur-Tessiner Schützlingen

Lebensglück zwischen schwarzen Freigeistern

Oberhalb von Gordevio im Maggiatal, auf 1'718 Metern Höhe, ist die Alpe Nimi unter anderem ein Urlaubsort für die Nera Verzasca Ziegen.

Die Alpe Nimi lädt Wanderer zum Schlafen unter Sternen und Schlemmen ein. Hier hat der Hüttenwirt und ehemalige Banker Pietro Zanoli in der wilden Bergwelt seinen Lebenstraum verwirklicht. Eine Herde Nera Verzasca Ziegen sorgt für Unterhaltung und immer frische Käsespezialitäten.

DAS IST

Pietro Zanoli, Hüttenwirt der Alpe Nimi

Pietro Zanoli, Hüttenwirt der Alpe Nimi
«Nur noch wenige Berghütten sind auch gleichzeitig Landwirtschaftsbetrieb.»

Wann auf der Alpe Nimi die Saison beginnt, entscheiden die Ziegen. Das kennt Hüttenwirt Pietro Zanoli nicht anders. «Wenn meine Herde im Weidegebiet über Gordevio Ende Mai plötzlich verschwindet, geht es los. Dann mache ich mich auf den rund fünfstündigen Fussweg hoch zur Capanna.» Bis November hält er oben die Stellung. In herrlicher Natur, mit einzigartigem Blick auf den Lago Maggiore. Nur umgeben von Berggipfeln, Wanderern – und einer Herde schwarzer Freigeister.

Die Nera Verzasca. Oder das Allradmodell unter den Ziegen, wie Pietro Zanoli es formuliert. «Klar gibt es auch Maseratis oder Lamborghinis – doch was nützen die mir im Gebirge?» An Schönheit mangelt es den schwarzen Geissen dabei nicht. Mit ihrem glänzenden Fell, das in der Sonne bräunlich schimmert, den kräftigen Hörnern und einem muskulösen, aber schlanken Körperbau, wirken sie wie eine besonders edle Spezies. Das hält die Ziegen aber nicht davon ab, eintreffende Wanderer erst einmal ungestüm nach etwas Essbarem abzusuchen. Manche dösen auch einfach im Schatten unter einem Fels.

Das Klingeln ihrer Glöckchen liegt wie Musik über der Alp. Dazu der Duft warmen Heus, von Wiese und Fell. Bergidylle pur. 

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Alpe Nimi, Vallemaggia

Dann bricht die Ziegenherde auf zu ihrer täglichen Weiderunde über abgelegene Bergwiesen. Autonom und freiheitsliebend – bis zum Melktermin am nächsten Morgen. «Es gibt nicht mehr viele Capanne, die gleichzeitig auch Landwirtschaftsbetrieb sind», sagt Pietro Zanoli, der seit dem Jahr 2000 den Betrieb auf der Alpe Nimi führt. «Viele Berghütten haben sich allein auf Gastronomie und Übernachtung spezialisiert.» Der frühere Banker dagegen produziert auf der Alp auch frischen Ziegenkäse.

Schon als Kind habe ich die Ziegen meines Onkels gemolken. Später machte ich aber eine Banklehre.
Alpe Nimi, Vallemaggia

Eine Tradition, die er – wie die Capanna – von seinem Onkel übernahm. Schon als Kind verbrachte Zanoli viel Zeit in den Bergen, um beim Melken und Ziegenhüten zu helfen. «Es wurde zu meiner Leidenschaft!» Beruflich schlug er trotzdem einen anderen Weg ein, begann eine Karriere als Broker. Doch der Job machte ihn nicht glücklich. Als sein Onkel in den Ruhestand ging, verwirklichte er in der Abgeschiedenheit der Tessiner Alpen seinen Lebenstraum. Nun ist er Hüttenwart und empfängt, bewirtet und unterhält Wanderer, die nach einer langen Tour Stärkung und Erholung suchen.

Die rund 70 schwarzen Bergziegen der Nera Verzasca sind die Hauptattraktion auf der Alp. Diese alte Tessiner Rasse, die ihren Ursprung im Verzascatal hat, ist fast ausschliesslich im Tessin und Norditalien verbreitet. Robustheit, Anpassungsfähigkeit und Genügsamkeit sind die Merkmale dieser Tiere, die zu den grössten aller Ziegenarten gehören.

Alpe Nimi, Vallemaggia
Alpe Nimi, Vallemaggia

Milch und Fleisch sind von bester Qualität.

Alpe Nimi, Vallemaggia
Alpe Nimi, Vallemaggia

Heute unterstützt unter anderem die ProSpecieRara den Fortbestand dieser besonderen Rasse. Die übrigens auch als besonders intelligent gilt. Kann der Experte das bestätigen? Pietro Zanoli, der auch eine Herde mit andersfarbigen Ziegen hütet, muss lachen. «Ich würde sie eher als furbi bezeichnen, also gerissen. Wenn es irgendwo Brot oder ein Loch im Zaun gibt, dann finden sie es!» 

Die Herde der Nera Verzasca, die mit Zanoli ihren Sommer auf der Alpe Nimi verbringt, gehört eigentlich einem Agrarbetrieb im Maggiatal. Im Winter leben die Tiere auf der Sonnenterrasse von Aurigeno, in Dunzio. Sobald Zanoli seiner eigenen Herde auf die Alpe Nimi Ende Mai gefolgt ist, werden auch die schwarzen Ziegen zum Ausgangspunkt über Gordevio begleitet.

Alpe Nimi, Vallemaggia
Alpe Nimi, Vallemaggia

Von dort aus finden die Leitziegen alleine den Weg und führen die Herde sicher nach oben.

Alpe Nimi, Vallemaggia
Alpe Nimi, Vallemaggia
Pro tip
Gäste der Alpe Nimi können auch unter freiem Himmel schlafen. Vom Doppelbett auf einem alten Kastanienstamm reicht der Blick über den Lago Maggiore.
Alle Ziegen von Pietro Zanoli haben einen Namen, wie Pinky Winky, deren Milch sich hervorragend für den Frischkäse eignet, von dem in einer Saison bis zu 10 Tonnen produziert werden.
Die Wassertemperatur der Panoramawanne mit Seeblick beträgt 10°C. Vom Strand der Alpe Nimi reicht der Blick bis zum höchsten und tiefsten Punkt der Schweiz.
Alpe Nimi, Vallemaggia

Die Alpe Nimi bietet Wanderern bis zu 22 Übernachtungsplätze, sogar unter freiem Himmel. Wer es zur Hütte geschafft hat, wird mit grossartiger Natur, einem eiskalten Quellwasser-Bad mit Blick über den Lago Maggiore und alpinen Köstlichkeiten belohnt. Doch der Aufstieg ist eine Herausforderung.

Der Hüttenwirt bereitet um 17 Uhr den Aperò zu, um den ersten Hunger zu stillen, gegen 20 Uhr lädt er zum Abendessen. «Es gibt immer ein einziges Gericht aus lokalen Zutaten, aber mit Varianten für Vegetarier, Veganer und Allergiker.»

Eine besondere Spezialität, die es wirklich nur auf dieser Alp gibt, ist der selbst produzierte Ziegenkäse. Zwei Sorten entstehen auf der Alpe Nimi: Zum einen der Büscion del Geissenpeter, ein cremiger Frischkäse zum Streichen, den es in dieser Form sonst nirgendwo gibt.

Alpe Nimi, Vallemaggia
Alpe Nimi, Vallemaggia

Ausserdem entsteht ein Formaggella, semipasteurisiert.

Alpe Nimi, Vallemaggia
Alpe Nimi, Vallemaggia

Mit Melken, Käse produzieren und Gästebetreuung ist Pietro Zanoli von morgens 5 Uhr, bis abends spät beschäftigt. Mit tatkräftiger Hilfe durch Angestellte und Freiwillige.

«Urlaub mache ich im Herbst. Hier oben auf Nimi. Gemeinsam mit den Ziegen, wenn sie alle trächtig sind.»

«Die Nera Verzasca ist das Allradmodell unter den Ziegen. Es gibt auch Maseratis oder Lamborghinis, doch was nützen die im Gebirge?»

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