Geschichte: Die Urkraft der Gebirge

In grosser Höhe: der Basòdino-Gletscher

Der Basòdino-Gletscher im oberen Maggiatal offenbart die Urkraft der Gebirge.

Von den exotischen Palmen am Lago Maggiore bis zu den weiss getünchten Gletschergipfeln: Die Tessiner Landschaft ist abwechslungsreich und voller Kontraste. Der Basòdino-Gletscher ist bestimmt einen Besuch wert.

DAS IST

Giovanni Kappenberger e Mattia Soldati, Glaziologe und Mitarbeiter des kantonalen Forstamts.

Giovanni Kappenberger e Mattia Soldati, Glaziologe und Mitarbeiter des kantonalen Forstamts.
Den Gletscherlehrpfad empfehlen wir jedem. Er ist wunderschön und offenbart das Wesentliche des Basòdino.

DIE GANZE GESCHICHTE


Ihre Faszination ist unbestritten. Majestätisch und erhaben prägen die Gletscher die Alpenlandschaft der Schweiz und des Tessins. Ihre ökologischen, hydrologischen und schützenden Funktionen sind vielfältig. Ihr Eis ist eine wichtige Wasserreserve und stabilisiert den Boden. Die sorgfältige Überwachung durch das kantonale Forstamt und durch GLAMOS (das Schweizerische Gletschermessnetz, das systematisch die langfristigen Gletscherveränderungn dokumentiert) hat ergeben, dass ihr Rückzug unmittelbar bevorsteht. Das gilt auch für den Basòdino-Gletscher im oberen Maggiatal. Sein Zustand dokumentiert Jahr für Jahr den Klimawandel südlich der Alpen. Mattia Soldati arbeitet für das kantonale Forstamt und ist für die Überwachung der Tessiner Gletscher zuständig. Giovanni Kappenberger ist Glaziologe. Sie beobachten diesen Wandel seit einiger Zeit. Fazit: die Landschaft verändert sich ständig, und man muss lernen, damit zu leben. Eine Herausforderung, die aber auch Überraschendes birgt. Gletscher sind ein Indikator für den Klimawandel, ein greifbares Zeichen dafür, wie schnell sich das Klima verändert. Und genau aus diesem Grund, erklärt Mattia, findet die Messung statt, um zu verstehen, wie sich die Landschaft entwickelt.

Basòdino-Gletscher, Maggiatal

Die Messungen an der Gletscherfront werden von Mattia einmal im Jahr durchgeführt, immer zwischen August und September. Dank einem GPS-Präzisionsgerät kann man am unteren Ende des Gletschers, etwa alle 20 Meter, einen Punkt. Die Linie, die dabei entsteht, nennen wir Frontlinie. Diese wird dann mit der Messung des Vorjahres verglichen und gibt Aufschluss darüber, in welchem Ausmass sich die Länge des Gletschers verändert hat. Giovanni hingegen beschäftigt sich mit der Massenbilanz des Gletschers. Mit dieser Messung, die an verschiedenen Stellen des Gletschers im April und im September vorgenommen wird, kann man die Veränderung der Masse eines Gletschers in Metern Wasseräquivalent quantifizieren.

Basòdino-Gletscher, Maggiatal

Der Basòdino-Gletscher ist der grösste und auch der erste, auf dem Messungen durchgeführt wurden, und zwar seit 1892. Weiter gibt es den Vadrecc di Bresciana (Bleniotal), den Valleggia und den Corno (Bedrettotal), den Tencia (Leventinatal), von dem nur noch sehr wenig übrig ist, und den Cavagnoli-Gletscher (Maggiatal), der wahrscheinlich in einigen Jahren ganz verschwinden wird. Der Gesundheitszustand der Tessiner Gletscher ist nicht gerade optimal, und das derzeitige Klima ist auch nicht gerade förderlich, erklärt Giovanni. Doch Gletscher haben eine recht langsame Reaktionszeit, denn es braucht viel Energie, um das Eis zum Schmelzen zu bringen und verschwinden zu lassen.

Eigentlich messen wir im Tessin gar keine echten Gletscher mehr: Die Gletscherdynamik ist nicht mehr vorhanden. Es gibt zwar noch einige Eisflächen und wir messen ihren Rückzug. Wir beobachten auch, dass immer weniger Schnee auf dem Eis liegt. Damit ein Gletscher weiter bestehen kann, braucht es Schnee.

Basòdino-Gletscher, Maggiatal
Basòdino-Gletscher, Maggiatal

Trotz der langsamen Reaktionszeit ist die Geschwindigkeit des Rückzugs bemerkenswert.

Basòdino-Gletscher, Maggiatal
Wo einst Eis war, trifft man beim Abstieg vom Basòdino auf eine wunderschöne Vegetation.
Basòdino-Gletscher, Maggiatal

Auch beim Bergsteigen beobachten die beiden Bergsteigerexperten, wie sich der Gletscher verändert. Es gibt mehr Gletscherspalten, das Eis bröckelt mehr. Man muss sich an diese Veränderungen anpassen, und das ist eine Herausforderung. Es gibt derzeit keine Lösungen, um den Rückzug der Gletscher zu begrenzen, sondern nur, um ihr Verschwinden zu verzögern. Zum Beispiel in einigen Schweizer Regionen, insbesondere in Tourismus- und Skigebieten, werden Planen eingesetzt, die das Schmelzen verlangsamen sollen. Das sind aber nur vorübergehende Massnahmen, die das Problem nicht lösen.

Der Rückzug des Basòdino-Gletschers schafft aber auch neue Landschaftsszenarien, wie Mattia bei seinen Messungen merkte. Wo einst Eis war, spriessen jetzt Blümchen und Gräser aus dem Boden. Das bevorstehende Verschwinden der Gletscher sollte uns zum Nachdenken anregen: Eine Ursache ist die globale Erwärmung, für die wir alle mitverantwortlich sind.

Basòdino-Gletscher, Maggiatal
Basòdino-Gletscher, Maggiatal

«Bald werden dort, wo einst Gletscher standen, viele kleine Alpenseen entstehen.»

Basòdino-Gletscher, Maggiatal
Basòdino-Gletscher, Maggiatal
Pro tip
Wussten Sie, dass im Bedrettotal (auf dem Gerenpass) "Eisberge" aus einem Gletscher hervorgegangen sind, der sich in einen See verwandelt?
Der Lehrpfad des Basòdino-Gletschers ermöglicht die Erkundung der Naturlandschaft. Eine Reihe von Tafeln liefert nützliche Informationen über die Umgebung des Gletschers.
Die Bezeichnung "Gletscherfront" ist der untere Grenzbereich eines Gletschers, an dem dessen Länge und Rückzug gemessen werden.

«Wir müssen uns anpassen und den Veränderungen das Positive abgewinnen.»

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