In den Kirchen der italienischen Schweiz ist das „Letzte Abendmahl“ ein häufig vorkommendes Motiv. Im Tessin gibt es rund hundert Darstellungen. Die wohl beste Kopie des „Letzten Abendmahls“ von Leonardo da Vinci (1452-1519) befindet sich in der Pfarrkirche Sant’Ambrogio in Ponte Capriasca. Um 1547/48 wurde sie von einem Schüler Leonardos geschaffen.
Gegenüber dem Original verändert hat der Leonardo-Schüler den Raum, in dem Christus mit den Jüngern speist. Die Rückwand des Saales ist durch zwei Arkaden unterteilt (statt drei rechteckiger Öffnungen bei Leonardo), in denen das Opfer Abrahams und die Ölbergszene dargestellt sind. Auch die Farbgebung weicht vom Vorbild ab, das man in der Kirche Santa Maria delle Grazie in Mailand bestaunen kann.
Ebenfalls von Leonardos Meisterwerk inspiriert ist das eindrucksvolle Abendmahlbild von Bernardino Luini (1480-1532) in der Kirche Santa Maria degli Angioli in Lugano. Luini hat in dieser Kirche noch ein weiteres wunderbares Werk hinterlassen: die Passion Christi. Es handelt sich um das berühmteste und schönste Renaissance-Wandbild der Schweiz.
Die zentrale Kreuzigungsszene reicht über die gesamte Höhe der Wand und besticht vor allem durch die lebhaft ausgeführten Details, zum Beispiel die Gruppe der trauernden Frauen mit Maria im Mittelpunkt, die kniende Maria Magdalena oder der schmerzgezeichnete Johannes.
Im oberen Teil der von Reitern, Soldaten und Schaulustigen dicht bevölkerten Kalvarienbergszenerie sieht man kleinere Darstellungen aus der Passion Christi sowie dessen Auferstehung und Himmelfahrt. Die Fülle des Erzählten macht es schwer, die Komposition aufzuschlüsseln. Es bedarf der Ruhe und Andacht, um dieses Meisterwerk auf sich wirken zu lassen.
Realistisch bis ins Detail
Eindrückliche Abendmahlbilder gibt es nicht nur in der Region Lugano, sondern im ganzen Tessin. Einen Besuch wert ist beispielsweise das Oratorio dell’Annunciata in Novazzano im Mendrisiotto, wo sich ein Werk befindet, das dem Tessiner Künstler Giovanni Battista Tarilli (1549-1614) zugeschrieben wird. In Arosio in Malcantone wiederum findet man das selbe Sujet, angefertigt von Antonio da Tradate (1465-1520).
In der Collegiata-Kirche in Bellinzona hingegen stösst man auf ein Gemälde von Camillo Procaccini (1561-1629), das derart lebhaft und realistisch ist, dass sogar ein Loch im Tischtuch sichtbar wird.
Das der Werkstatt der Seregnesi zugeschriebene Bild in Arbedo zeigt Judas, der einen von Jesus überreichten Brocken Brot ist. Von den Seregnesi stammt im übrigen auch das Abendmahlbild in der Kirche San Bernardo oberhalb von Monte Carasso.
Menü mit Krebsen und Kirschen
Bereits im 15. Jahrhundert entstanden sind die erfrischenden Darstellungen des Abendmahls in Ditto und Curogna oberhalb von Cugnasco. Die üppige Tafel ist nicht nur mit dem traditionellen Lamm, sondern auch mit Krebsen und Kirschen gedeckt, während sich Judas zur Seite abwendet.
In Brione Verzasca ist eines der ältesten Abendmahlbilder zu finden, ausgeführt von einem Maler des 14. Jahrhunderts, der Giottos Schule nahestand. Statuen aus Terrakotta von Francesco Silva (1560-1641) aus Morbio Inferiore bilden das Abendmahl in der Wallfahrtskirche Madonna del Sasso, ein Werk aus dem 17. Jahrhundert.
Im Onsernone-Tal, in Loco, ist ein eindrucksvolles Abendmahlbild von Goetfried Maes aus dem Jahre 1683 zu sehen. Die wegen ihrer Eleganz und Ausgewogenheit bemerkenswerteste Darstellung des Abendmahls in der Leventina wurde 1964 in Rossura entdeckt.