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Der völkerkundliche Weg und die Nutzung des Wassers in "Revöira"

Samburgaro
Sobald man den Platz vor der Pfarrkirche von Santa Maria degli Angeli mit ihrer spätbarocken Fassade durchschritten hat, nimmt man den alten gepflasterten Pfad nach Sambugaro unter die Füße. Dieser Ort liegt auf einer der wenigen ebenen Terrassen und ist heute zum größten Teil renoviert. Hier und dort erblickt man alte Häuser mit weiten Laubengängen und an einigen Hausmauern religiöse Fresken. Vom festen Glauben der Bevölkerung zeugen überdies 9 Bildstöcke aus den 17.-18. Jh., die zwischen Lavertezzo und Revöira errichtet wurden. Es ist eine besonders eindrückliche Anzahl, wie sie sonst nur an den Hauptverkehrswegen auf dem Talgrund anzutreffen ist. Dargestellt wird meistens die Mutter Gottes, in die man alle Hoffnung setzte und an die man besonders innige Gebete richtete.

Scandurásc’a
Eine halbe Stunde zu Fuß von Sambugaro erblickt man talwärts die Ruinen der alten Siedlung Scandurásc’a. Sie wurde vor rund zwei Jahrhunderten wohl wegen des unsicheren Erdgrunds verlassen. Trotz des dichten Kastanienwaldes und der auf der kleinen Hochebene verstreut liegenden Felsbrocken eines vorgeschichtlichen Erdrutsches sind die Grundrisse der Ställe, Stadel und Einfriedungen als Zeugen der wesentlichen Elemente einer bäuerlichen Siedlung erkennbar.

Die Malensässe
Sobald man die Überreste der alten Schutzmauer durchquert hat, erreicht man nach etwa zehn Minuten Revöira. Dieses Maiensäß befindet sich auf einem Gelände, das sich zwischen 850 und 1000 m erstreckt, und besteht aus 5 verschiedenen Siedlungskernen, die von al Mátro über Murísc, ar Cistèrna und Mött dal Cisternígn bis hinauf zu Scíma al Córt reichen. Das Maiensäß Ca d Dént befindet sich hingegen auf einer größeren Hochebene am anderen Ufer des meist ausgetrockneten Sturzbachs el Cröis. Obwohl viele der Gebäude seit langem verlassen sind und sich daher in meist schlechtem Zustand befinden, ist es heute noch möglich, deren ursprüngliche Funktion zu erahnen, die eng mit den Tätigkeiten des Menschen auf den Maiensäßen zusammenhängt: Ställe und Heuschober für das Vieh und das Futter, bewohnbare Hütten, Schutzräume unter den Felsen, Einfriedungsmauern und Terrassierungen, wo Weizen, Kartoffeln und Gemüse angepflanzt wurden. Die Aufmerksamkeit richtet sich jedoch auf die ausgehöhlten Granitblöcke, die am ganzen Hang zu finden sind. Diese Wannen (insgesamt 35 mit einem auf 4800 Liter geschätzten totalen Fassungsvermögen) nahmen das Regenwasser auf. Die Zisternen (insgesamt 6, von denen sich 4 in Revöira und 2 in Ca d Dént befinden) sammelten hingegen das spärlich vorhandene Grundwasser. Dieses klug angelegte Beckensystem sicherte also die für die Haushalte und das Vieh notwendige Wasserversorgung.

Al Mátro
Zwischen den Stallruinen entdeckt man die ersten monolithischen Wannen. Rund fünfzig Meter weiter vorn öffnet sich eine Lichtung, auf der sich ein kleines quadratisches Gebäude mit Steinplattendach befindet, das mit einem Holztörchen versehen ist. Es ist der erste Ziehbrunnen, der einen umgekehrten T-förmigen Querschnitt aufweist und chätzungsweise bis zu 6000  Liter  Grundwasser zu fassen vermag. Das flache Areal, das sich talwärts hinter dem Siedlungskern befindet, diente den Gemüsegärten. Hier ist außerdem die Aufprallstelle (batüda) eines Holzer- bzw. Heuseils klar auszumachen.

Murísc
Trotz der dichten Vegetation und des überaus schlechten Zustands des zweiten Siedlungskerns von Revöira zeugen einige mit Ecksteinen und mächtigen Balken gebaute Fassadenmauern von der Gewandtheit der Bevölkerung, Gebäude mit Trockenmauern zu errichten. Wenn man kurz vom Pfad tritt und bis zur Ruine geht, die sich beim Sturzbach befindet, entdeckt man einen Granitblock, der mit dem Meißel angehauen worden ist. Die angedeutete Form lässt darauf schließen, dass es eine Wanne für das Wasser hätte werden sollen, die jedoch nie fertiggebaut wurde. Außerhalb von Murísc verzweigt sich der Pfad. Rechts steigt er zum höheren Teil von Revöira an, wobei er bergwärts von einer Mauer und talwärts von mächtigen Steinplatten eingegrenzt wird.

Ar Cistèrna
Wenn man heute die Hänge des Föpia, des eindrücklichen Berges oberhalb des Maiensäßes, betrachtet, kann man sich kaum vorstellen, wie auf solch steilem Gelände das Gras gemäht werden konnte. Das zusammengerechte Wildheu wurde mit Hilfe eines dichten Netzes von Holzerseilen zu den unteren Maiensäßen transportiert – genau wie in Odro unterhalb des Berges Pizzo Vogorno. Von diesen Transporteinrichtungen, die bis Mitte 20. Jh. verwendet wurden, ist heute unter anderem die Aufprallstelle (batüda) auf der nordwestlichen Seite der Siedlung erhalten. Der Name, ar Cistèrna, stammt hingegen von der Zisterne, die im lokalen Dialekt cistèrn genannt wird und sich hinter der nahen Stallreihe befindet. Dieses Sammelbecken weist die Form eines auf der Spitze stehenden Konus auf und hat keine Überdachung. Es ist das größte der gesamten Anlage und fasst rund 12000 Liter. Spiralförmig angelegte Tritte erlaubten es hinabzusteigen, um das Wasser heraufzuholen, das unter anderem auch die im Freien stehende Tränke belieferte.

Mött dal Cisternígn
Die auf zwei der Gebäude eingemeißelten Jahreszahlen beweisen, dass der Siedlungskern auf dieser kleinen Anhöhe mehr als 300 Jahre alt ist. Im Innern eines zusammengestürzten Stalles befindet sich eine halbkreisförmige Zisterne, die rund 3300 Liter Wasser fasst. Eine Holztür verhinderte den Tieren den Zugang, die aus einer Wanne beim Eingang getränkt wurden. Von hier führt die Wanderung auf dem Pfad zurück bis zur Abzweigung bei Murísc und schlängelt sich dann weiter in Richtung Ca d Dént.

Cioss dal Gioachin
Unweit vom Sturzbach el Cröis fällt eine mächtige Einfriedungsmauer auf, die das Areal Cioss dal Gioachin einschließt. Diese Einfriedung erstreckt sich auf der oberen Seite des Maiensäßes und enthielt Wiesen und bebaubares Land, bevor der Wald eindrang und alles überwucherte. Trotzdem sind heute noch zwischen den zusammengestürzten Gebäuden einige Felsenkeller (sprügh) sichtbar.

Ca d Dént
Der Siedlungskern von Ca d Dént befindet sich rund zehn Meter weiter unten. Anders als die meisten verfallenen Gebäude wie das Turmhaus sind die monolithischen Wannen unberührt in ihrer ursprünglichen Stellung erhalten. Bezeichnend ist, wie sie sich auf der Dachrinnenseite an die Gebäude schmiegen. Eine hölzerne Rinne leitete das Regenwasser von den Dächern in die Wannen. Besonders interessant sind die zwei nebeneinander stehenden Wannen bei den Überresten eines Gebäudes am Rande der Siedlung.

Der Waldbau
Bis weit ins 20. Jh. hinein wurde der Wald im Verzascatal sehr intensiv für die Produktion von Kohle und Bauholz genutzt, die dann im Tal verkauft wurden. Durch diese Tätigkeit wurden die Abhänge jedoch ihrer Schutzschicht beraubt und verloren an Festigkeit und Halt. Von Ca d Dént durchläuft der Pfad einen vorwiegend mit Buchen bestandenen Wald. Dieser musste in den 40-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgeforstet werden, um die weiter unten durchführende Straße vor Lehnenabsitzungen zu schützen. Nach einer weiteren halben Stunde erreicht der Pfad den Talgrund und endet im Ort alla Motta.