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Traditionen am Tag des heiligen Johannes

Das Fest des heiligen Johannes des Täufers (24. Juni) wurde zwischen uralten, mit der Sonnwende zusammenhängenden Bräuchen und dem Geburtstag des Heiligen besonders ausgiebig gefeiert. Die Riten des Feuers und der Sonne, die in diesen Tagen ihren höchsten Stand erreicht und allmählich wieder abnimmt, wird mit der Figur des heiligen Johannes in Verbindung gebracht, weil er enthauptet wurde. Dieser Volksglaube ist weit über die Täler der Alpensüdseite hinaus verbreitet und geht auf undenkliche Zeiten zurück.
Im Malcantone sagte man, dass an diesem Tag "die Sonne tanze". Die Jugendlichen standen im Morgengrauen auf, um diese Erscheinung zu beobachten. Dies taten auch die Leute im Onsernonetal, die sich auf den Monte Salmone begaben, um "die Sonne auf dem Stuhl" zu sehen. Wer schon am Vorabend aufgestiegen war, verbrachte die Nacht mit Gesang und Tanz: Eine fröhliche Nachtwache, die an die alten Sonnwendfeiern erinnert. Der höchste Sonnenstand wurde als magischer Augenblick betrachtet: Im Bellinzonese, in Mosogno, in Muggio und im Calancatal wurden Höhenfeuer entfacht, und in der Nacht sammelte man die grünen Nüsse für den Ratafià. Auch anderes magisches Brauchtum wurde angewandt: das Gehen mit nackten Füssen auf dem morgendlichen Tau; das Lesen der Zukunft, indem Eiweiss in eine Flasche geschüttet wurde, um aus der entstehenden Form über den Verlobten Auskunft zu erhalten. In Olivone wurde am Morgen des 24. Juni ein Strauss Feldblumen oder ein Nusszweig an der Haustür befestigt, damit kein Familienmitglied im Laufe des Jahres einem Unfall oder einer Krankheit erliegen möge. In neuerer Zeit erhielt der religiöse Charakter dieses Festtages den Vorrang mit Prozessionen, an denen der jugendliche Johannes samt Lamm dargestellt wurde (Solduno, Mendrisio).